aus: Ervin Lázár, Die siebenköpfige Fee
 

KOMM DOCH, FROST, WENN DU DICH TRAUST!

An einem schönen Augusttag blieb die Tür des alten Kühlschranks offen.
"Aha!" sagte der Frost dadrin, "das ist die Gelegenheit!"

Er schlich sich seitwärts durch den Spalt und blieb mitten in der Küche stehen. Mit furchterregendem Blick schaute er sich um.
"Jetzt zeig ichs euch!" zischte er drohend.
Er streckte sich, hob die Arme bis zu den Schultern und ließ die Muskeln spielen. Er hatte Muskeln wie ein Kaffernbüffel.
Der Mörser, die Kredenz, das Heferl Ohnehenkel, das Heferl Mithenkel, die Kaffeemühle, das Dreibeinige Hockerl, die Nagelfeile (was hat eine Nagelfeile in der Küche zu suchen?), das Fleischhauermesser, der Schöpflöffel, die Schnapsflasche Mitbommel, der Milchtopf, der Rote Deckel, der Blaue Deckel, der Aluminiumdeckel, die Lampe Ohneglas, der Küchentisch und der Entzweigeschnittene Paradeiser starrten ihn erschrocken an.
Der Frost tänzelte in der Küche herum und stellte sich hin wie ein Boxer, der auf den Angriff wartet.

Mit unheilverkündender Stimme sagte er:
"Mit wem von euch soll ich anfangen?"
Er schaute sich um. Gleichzeitig sagte er: "Brrrr!"
In der Küche zog jeder den Hals ein. Jeder dachte: "Bloß nicht mit mir!"

Nur die Nagelfeile (was hat eine Nagelfeile in der Küche zu suchen?) dachte sich: "Was will der schon anfangen"?
Der Frost sagte schon wieder: "Brrrr!"
Ein dicker Schweißtropfen erschien auf seiner Stirn. Auf seinem linken Arm erschlafften die Muskeln, er faßte sich an die Stirn, wischte sich den Schweißtropfen weg. Dabei knickte sein linkes Knie ein.
"Dann werde ich..." wollte er anfangen, aber es reichte nur für ein erbärmliches Gewisper.
Da knickte ihm sein anderes Bein auch noch weg.
"Oh weh!" rief der Frost, und der Schweiß lief ihm schon in Bächen herunter. Er zitterte.
Aber er probierte es noch einmal.

"Jetzt zeig ich's euch..." wimmerte er und fiel um. Zitternd am ganzen Körper lag er auf den Küchenfliesen.
"Hilfe" flehte er dann, "Hilfe!" Sofort liefen der Mörser, die Kredenz, das Heferl Ohnehenkel, das Heferl Mithenkel, die Kaffeemühle, das Dreibeinige Hockerl, die Nagelfeile (was hat eine Nagelfeile in der Küche zu suchen?), das Fleischhauermesser, der Schöpflöffel, die Schnapsflasche Mitbommel, der Milchtopf, der Rote Deckel, der Blaue Deckel, der Aluminiumdeckel, die Lampe Ohneglas, der Küchentisch und der Entzweigeschnittene Paradeiser zu ihm hin.
Sie schoben den ohnmächtigen Frost in den alten Kühlschrank und machten die Tür zu.
"Dafür zeigt er's uns noch irgendwann mal, paßt bloß auf!" sagte die Nagelfeile (was hat eine Nagelfeile in der Küche zu suchen?) "Dann zeigt er's uns eben im Dezember."

Die anderen schwiegen. Sie hatten schon einige Dezember erlebt. Der Mörser immerhin schon hundertfünfzig.

Der Frost erholte sich langsam wieder im alten Kühlschrank.
 


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