aus: Ervin Lázár, Meine sieben Lieben
 

DER VERRÜCKTE BRUNNENBAUER

Der verrückte Brunnenbauer hatte schon hunderte von Brunnen gegraben, ja tausende. Sein Spaten ging zuerst in kratzige Erde, dann in weichen Lehm, und danach quatschte und matschte es. Es kam auch vor, daß er Fels aufhacken mußte, aber er machte es, er schnitt und spaltete ihn, bis es nicht mehr quatschte und matschte. Dann schaute der Brunnenbauer aus dem Finstern nach oben, etwas geblendet vom hereinleuchtenden runden Stück Himmel, aber darum kümmerte er sich nicht, und es sprudelte aus ihm heraus: - Wasser!

Die Menschen freuten sich über das Wasser, auch wenn er aus einer Schicht mit Salzboden aus ein paar Metern von unten rief, auch dann, wenn in der Mitte eines Burghofes aus beträchtlicher Tiefe sein Rufen ertönte: - Wasser!

Der Brunnenbauer wurde gewürdigt, er bekam Geld, frischgebackene Pogatschen, einen Schlafplatz, Hutschwenken. Trotzdem nannten sie ihn verrückt!

Das fing damit an, daß er ohne ein Wort und ohne Ankündigung das Graben seinließ, sich auf ein kleines Stück Wiese legte, die Hände unter dem Nacken faltete und tagelang in den Himmel starrte. Viele suchten ihn auf und sagten, sie brauchten einen Brunnen, aber der Brunnenbauer schüttelte den Kopf und blieb liegen.

- Ich habe schon genug Brunnen gegraben - sagte er, - so tiefe, wie ich lang bin, so tiefe, daß man meine Stimme nicht mehr hört, wenn ich von unten hochrufe. Jetzt will ich etwas anderes machen.

- Was denn anderes? - fragten sie ihn.

- Was könnte ich eben anderes machen? Brunnen natürlich!

Die Menschen steckten die Köpfe zusammen und wisperten und flüsterten: - Der ist verrückt, total verrückt! Er sagt, er will keine Brunnen bauen, und dann, er will Brunnen bauen. Das ist doch Unsinn!

Aber eines schönen Tages stand der Brunnenbauer auf und ging nach Hause, um seine Werkzeuge zu holen. Und er nahm seine Arbeit wieder auf. Na, aber wer hat denn so was schon gehört! Die Boten liefen in alle Richtungen. - Er ist komplett verrückt geworden! Er gräbt die Luft!

Hopp stürmten sie die Wiese, umringten ihn, lachten ihn aus. Aber nach einer Weile blieb ihnen das Lachen im Halse stecken. Denn man sah wohl, daß als Spuren der Werkzeuge des Brunnenbauers große Stücke aus der Luft gehackt waren, und, siehe da, auf einmal ging der Brunnenbauer ebenfalls in die Luft. Er hackte und schaufelte, meißelte und haute, das kreisförmige Loch wurde immer tiefer, der Brunnenbauer arbeitete in immer größerer Höhe. Er schnitt sich durch dichte Luftschichten, ausgelassen hackte er sich durch die Wolkenfelsen, und stieg und stieg immer weiter nach oben, schimmernder Staub und Sternstückchen stoben und sprühten vom himmlischen Brunnen auf die Erde. Schon sah man ihn kaum mehr, der Brunnenbauer wurde zu einem winzigen Punkt, doch trotzdem hörte man das Geräusch gut nach unten, weil er sicher schon quatschte und matschte da oben, und wie immer schrie er, seine freudevolle Stimme ließ den Schacht des himmlischen Brunnens schwingen. Aber was er rief, verstand keiner.

- Was hat er gerufen, was hat er gerufen? - fragten sie aufgeregt, aber dann hatte der Meißel des Brunnenbauers schon das letzte bienenflügelzarte Häutchen durchdrungen, der Grund des himmlischen Brunnens brach durch, und vom Grund des Brunnens stürzte er in den Raum, rauschte, wurde kleiner, dann leuchtete er auf wie ein neugeborener Stern. Ein am Brunnen nie gesehener Glanz ließ sich auf die Erde nieder, die Blätter der Wiese strahlten wie Smaragde. Die Menschen bedeckten ihre Augen. - Der verrückte Brunnenbauer, der verrückte Brunnenbauer! - wiederholten sie immer wieder.

Seitdem schwebt der Brunnenbauer als leuchtender Stern am Himmel, und er weiß, daß er dort ist, wo die Menschen sich in der Zeit ihrer langandauernden Dunkelheit versammeln.
 
 


                                                                                                  

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