aus: Ervin Lázár, Die siebenköpfige Fee
 

BLUMENBLAU


Es ist schon viel Leid daraus entstanden, wenn jemand schöne Augen gehabt hat. Aber von so einem Aufstand, der wegen Silke B.s Augen passiert ist, ja, das sage ich, so was haben nicht einmal die Allerältesten von euch gehört. Weil von Silke B. - falls es jemand bitteschön noch nicht gehört hat - heißt es, sie hat blumenblaue Augen. Jeder sagt das, weil sie eben wunderschöne blaue Augen hat. Ja, und von daher ist das Riesenschlamassel gekommen. Weil, an einem schönen Tag im Mai sagt das Leberblümchen einfach so, ohne sich was dabei zu denken:
"Ohne Zweifel, Silke B.s Augen sind genauso blau wie ich."

Stimmt ja auch, stimmt, eh klar, das Leberblümchen ist ja wirklich schön, für die Augen von keinem wäre es eine Schande, wenn einer sie mit dem Leberblümchen vergleicht. Es wäre ja auch nix passiert, wenn nicht eine andere Blume das zufällig gehört hätte.
Das Vergißmeinnicht spitzte die Ohren und rief:
"Von wegen genau wie du! Halt bloß die Pappen mit deiner Farb', blaß wiara Nachthemd, was ma zu haß gwoschn hat. Se san genauso blau wiar i!"
Jetzt ging der Radau los.

Der Ehrenpreis gab zu verstehen, daß die Farben von Silkes Augen wohl keinen anderen Vergleich zuließen als mit ihm persönlich, dem Ehrenpreis.
Das Veilchen bog sich vor Lachen.
"Hörts euch das mal an - mit ihm persönlich, dem Ehrenpreis!"
Der Blaustern wollte dem Veilchen schon ein Veigerl verpassen, beschränkte sich dabei aber auf Worte:
"Du bist überhaupt nicht blau, sondern lila!"
- "Wenn ich lila bin, dann sind Silkes Augen halt auch lila. Das könnts ihr mir glauben!"
Die Traubenhyazinthe fiel dazwischen: "Was streitets ihr euch? Schauts einfach mich an!"

Noch ein Glück, daß sie so weit voneinander wegstanden, sonst wären sie sich sicher an die Haare gegangen. Spätestens dann, als die Gemeine Küchenschelle sich meldete. Da fielen alle gemeinsam über sie her:
"Untersteh dich, hier was zu sagen! Du bist ja schon vom Namen her gemein!"

Der Krawall, der dabei entstand, war so groß, daß sogar die schlummernden Gräser aufwachten. Eigentlich schlimm, wenn Blumen streiten, das schaut schon ziemlich arg aus.
Ihr könnt es euch denken, wer den Streit geschlichtet hat. Natürlich Mikkamakka. Er war zufällig gerade da (er ist ja immer da, wo man ihn braucht), schaute auf die Blumen und rief:
"Herr im Himmel, ich bin farbenblind geworden!"
Die Blumen verstummten für einen Moment. Im Chor antworteten sie:
"Farbenblind? Wieso?"
"Als ich heute morgen hier entlangspaziert bin, habe ich ganz deutlich sieben blaue Blumen gesehen, die hier blühen."
"Eh klar, ja und?"
"Jetzt sehe ich sieben rote."

Wie auf einen Schlag sahen sich die Blumen an. Aber sicher, Mikkamakka war nicht farbenblind geworden, sondern sie waren rot vor Wut geworden. Sofort wurden sie wieder blau und überließen die Sache dem Mikkamakka.

"Das haben wir gleich parat" sagte er, "das ist das Allereinfachste auf der Welt! Silkes Augen sind am Montag so blau wie das Vergißmeinnicht, am Dienstag wie der Ehrenpreis, am Mittwoch so blau wie das Veilchen, am Donnerstag  wie der Blaustern, am Freitag so blau wie die Traubenhyazinthe, am Samstag so blau wie die Küchenschelle. Und am Sonntag so blau wie das Leberblümchen."
(Das sagte er deshalb, weil er eigentlich das Leberblümchen am meisten mochte. Aber das blieb sein Geheimnis.)
"Und übrigens,..." fuhr Mikkamakka fort, "...wenn man eine Woche lang jeden Tag die Silke sieht, sind ihre Augen noch viel schöner, als ihr alle zusammen."

Da gaben die Blumen Ruhe. Seitdem blühen sie blau und zufrieden.
 
 


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